Nachdem beim letzten “offiziellen” Tokio-Hirano-Gedächtnis-Lehrgang (THGL) in Urberach (Bericht  hier),
den Teilnehmern von Familie Thiele mitgeteilt wurde, daß es tatsächlich der letzte Lehrgang dieser Art gewesen sein wird – aber ihre Türen für uns als Teil des harten Teilnehmer-Kernes der bisherigen Lehrgänge für weitere Trainings-Wochenenden (ähnlich dem hier beschriebenen) weiter offen stehen, haben wir dieses Angebot natürlich dankend angenommen und bereits einen Termin im April dafür abgesprochen.
Allerdings gab es da sehr kurzfristig mit dem Hawe-Cup eine Termin-Kollision, so daß wir bei Frank Thiele zerknirscht um die Möglichkeit der “Umbuchung” nachgesucht haben und nach Durchlauf der terminlichen Neuplanung fiel die Wahl dann eben auf o.g. Wochenende, was sich im Nachhinein doch als rechte gute Wahl erwies 🙂 – mal abgesehen davon, daß wir diesmal wieder keine Chance hatten, einen Großraum-Personentransporter zu ermieten – so hieß es dann, mit eigenen geeigneten Autos die 570km zu bewältigen. Von uns VfLern kamen diesmal Melanie Lebreton,  Ingo Schumacher, Nicolas Lebreton, Alexander Weigelt, Christian und Max Köpp, Hannah Wolf u. Dennis Brötzmann (wieder in Doppelfunktion als Lehrgangsteilnehmer und Referent für Bodenverknotungen) mit. Für Alex und Hannah war es das erste Mal, daß sie mit dabei waren. Alex hatte es bisher nämlich immer geschafft, irgendwie begründet keine Zeit zu haben und bei Hannah haben wir eine Ausnahme von unserer ungeschriebenen Regel, keine “Kinder/Jugendgrüpplinge” ohne “judoelterliche” Begleitung mitzunehmen, gemacht, da sie sich seit einiger Zeit sehr übungsleiterunterstützend beim Training einbringt und wir so die Gelegenheit nutzen wollten, auch Hannah Zugang zu unserer Wissens-Quelle bzgl. “Judo der alten Schule” in Person von Frank Thiele zu geben. Seitens Bernau hatten der JSV-Bernau-Chef Heiko Posselt nebst Sohn Philipp und Trainer-Kamerad Frank Opitz ihr Kommen angekündigt und auch gleich angeboten, unseren Dennis fahrtechnisch zu befördern, so daß für uns verbleibende acht VfLer nebst Gepäck Christians Volkswagen und das durch Ingo organisierte väterliche Sport-Nutz-Fahrzeug bayrischer Fertigung  für die Reise ausreichte. Hierfür einen herzlich Dank in Richtung Ingos Vater!
Und da diesmal gottseidank keine Grippe/Erkältung oder ähnliches dazwischen kam, ging dieser Plan auch hervorragend auf, so daß wir am Freitag vor Pfingsten, nahezu pünktlich gegen vier Uhr nachmittags die Reise beginnen konnten. In Dessau-Ost haben wir dann den ersten “Sammel-Stop” gemacht und uns mit Familie Hannig (Julius u. seinen Vater Torsten – auch für diesen war es wohl der erste Lehrgang bei Frank) bzgl. der Weiterfahrt abgestimmt. Mit der etwas verspäteten “Reisegruppe Bernau” hatten wir uns auf “Nicht warten, weiterfahren” geeinigt und dann ging es ans Kilometer-Schruppen. Erstmal gab es gleich einen ärgerlichen Baustellenstau, aber dieser blieb glücklicherweise die einzige Auswirkung des gefürchteten Pfingst-Wochenend-Verkehrs.
Da Christian die schnelligkeitsverrückte Melanie ans Steuer ließ und Ingo die Fahreigenschaften seines Wagens ebenfalls etwas testen wollte, kamen wir dann auch erstaunlich flink voran, nur daß es dann plötzlich bei Eisenach hieß, der Volkswagen müsse auf einmal betankt werden.  Naja Ingo hatte dabei den Tank wohl noch mehr als halbvoll… Was mal wieder bestätigt: Geschwindigkeit ist die eine, Reichweite die andere Seite der Medaille 😉
Unser Endziel haben wir dann abends gegen halb elf erreicht. Fabian (bereits aus den vergangenen Berichten bekannt als feste Stütze für Fam. Thiele u. damit auch für uns u.a. hinsichtlich der Lehrgangsorganisation) stand am Grill und – als besonderes “Schmankerl” hatte er organisiert, daß die Matte bereits fertig aufbaut in der Halle lag.
So konnte kurz danach auch Melanie milde gestimmt werden und ihr nahezu unverständliches  “Gebrabbel” während des “Bettenbaus”, in dem wohl mehrfach das Wort Hunger vorkam, wandelte sich wieder in die übliche normalverständliche Plauderei 🙂
Alsbald standen dann auch Daphne und Rupert L. aus München mit dabei und erhöhten den Biervorrat um einen weiteren Kasten naturtrüben Gerstensaftes aus biologischer Erzeugung. Fabian hatte ebenfalls ähnliche Erzeugnisse bereitgestellt, so daß der Abend dann den erwarteten geselligen Ausklang nehmen konnte…
Auch der von Angelina aus Urberach gebackene Begrüßungskuchen, hat uns sehr geschmeckt, vielen Dank dafür! 🙂

Früh morgens halb neun, nach einer erholsamen Nacht für die, welche toleranterweise Schnarchgeräusche hinnehmen konnten, gab es dann Frühstück und wir freuten uns auf das Wiedersehen mit Uschi und Frank. Pünktlich um neun war dann Frank dann auch da und es ging dann so langsam auf die Matte nachdem auch allmählich einige Tagesgäste eingetroffen sind. Auch Franks eigene Gruppe war wieder erfreulicherweise zahlreich mit großen und kleinen Judoka vertreten. Der Lehrgangs-Samstag wurde in Stand-, Boden-, Mittagspause, Boden-, Standarbeit aufgeteilt. Sonntag gab es dann noch einmal einen Teil Stand und einen Teil Boden.
Als übergreifendes Thema für die Standarbeit wurde von Frank beschlossen, auf den Einsatz der Hüftrotation zur Erzeugung der für Wurftechniken nötigen Kräfte detailliert einzugehen – nun gut, dachte ich, wird es also eine Wiederholung des letzten Lehrgangs, kann ja nicht schaden – aber wenn Julius damals vom letzten THGL als“beststrukturiertesten Lehrgang” schrieb – muß ich sagen, diesmal hatte Frank sein didaktisches Konzept nochmals überdacht und sozusagen einen drauf gesetzt:

(Achtung, ab jetzt wird es etwas etwas sehr judotechnisch!)
Es begann (durchaus in Tradition früherer Lehrgänge) mit Uki-Goshi (einem der grundlegenden Hüftwürfe  des Judo) und schon hier wurden einige wichtige bewegungsmechanische Details, die bisher immer etwas “untergingen”, in aller Deutlichkeit herausgearbeitet, danach ging es methodisch zu einer Harai-Tsuri-Komi-Ashi-Variante, welche die Tatsache ausnutzt, daß der zu Werfende doch eher nicht den Uki-Goshi erdulden möchte. (Harai-Tsuri-Komi-Ashi ist ein Fußfege-Wurf, der “normalerweise” oft selbst gestandenen Judoka Tränen in die Augen treibt und am eigenen Können zweifeln läßt – wohl nicht ganz grundlos inzwischen beim DJB erst im Programm zum ersten Schwarzgurt eingeordnet.) Auch die gezeigte Variante war zwar an sich für uns nicht neu, aber irgendwie hatte ich diesmal das Gefühl, da wieder etwas besser verstanden zu haben.
Nach diesen Beispielen für die direkte Kraftübertragung durch die Hüfte, ging es an die Anwendung des Prinzips auf die indirekte Übertragung der von der Hüftbewegung erzeugten Kraft mittels  der Arme auf den Gegner: Auch hier war es wieder der “ungeliebte” Harai-Tsuri-Komi-Ashi, der sozusagen als didaktischer Übergang  herhalten mußt, allerdings kam Frank dann recht schnell zu dessen “Zwilling”  Sasae-Tsuri-Komi-Ashi, dieser ist an sich deutlich einfacher zu werfen, da im Gegensatz zu vorgenanntem Wurf der Fuß des Gegner lediglich am Weiterhüpfen (“Hickeln” nennt Frank das) gehindert und nicht weggefegt werden muß.  Dann war der Weg zum Tai-Otoshi (ein  Handwurf und m.E. eine der eindrucksvollsten und variantenreichsten Judowurftechniken) nicht weit, Frank favorisiert hier offensichtlich als Ausgangspunkt zum Erlernen die “gestoßene” Form (im Gegensatz zur vielerorts “üblichen” Variante, bei der oft ein “Mischmasch” aus Hand-, Fuß- u. Hüftwurf zu beobachten ist.) Nun gut, für diejenigen mit etwas längerer THGL-Erfahrung war Franks Variante nun nicht wirklich neu, aber auch hier schaffte es Frank, uns noch zu überraschen, indem er eine noch von seinem Freund u. Lehrer Tokio Hirano (“Mr. Tai-Otoshi”) stammende Version des Wurfes zum Besten gab – selbst für Franks Judoschüler schien diese Ausführungsweise recht neu zu sein – unser Ingo hat sie auch gleich ins Herz geschlossen und mit möglichst vielen verschiedenen Übungspartnern geübt. 🙂  Vom Tai-Otoshi ging es dann zum Harai-Goshi (“Hüftfeger”, also  ein “einbeiniger” Hüftwurf, bei dem der Werfer  ein Bein aktiv nutzt und deshalb nur auf einem (dem anderen) Bein stehen kann), dieser wurde auf zwei Arten erläutert, erst – passend zum Rahmenthema – in seiner “dynamischen” Form und dann (am nächsten Tag) mit einer Eingangs-Variante, nach Angriffsversuch mit O-Soto-Gari (der großen Außensichel), die Frank als “statisch” bezeichnet – diese Variante war für mich persönlich ein weiterer judomäßiger Lehrgangsglanzpunkt. Abgeschlossen wurde diese methodische Reihe dann mit Hane-Goshi (ein weitere Einbein-Hüftwurf ähnlich dem Harai-Goshi), auch hier hatte ich diesmal das Gefühl, im didaktischen Verständnis einen entscheidenden Schritt weitergekommen zu sein.

Unser “BJJ-Dennis”  hat, wie bereits erwähnt, die Bodenarbeit gestaltet. Zentrales Thema seiner Einheiten war eine Position am Boden, die wir als “einseitige Beinklammer” bezeichnen. Sowohl beim BJJ als auch bei uns im Judo ist dies eine sehr wichtige Position: als Untenliegender beim Bodenkampf freut man sich in der Regel, wenn man es schafft, ein Bein des Gegners zu klammern, da dieser dann nach Judo-Wettkampfregeln nicht mehr einen zum Sieg führenden Festhaltegriff an- bzw. fortsetzen kann, zusätzlich er dabei in seiner Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt ist (d.h. er kann nicht eben schnell aufstehen oder sich umpositionieren)  und man mit etwas Geschick die Situation noch weiter verbessern kann, um selbst die Oberhand (sei es im wörtlichen Sinne oder durch einen Aufgabegriff) zu gewinnen.
Als Obermann eröffnet diese Position allerdings auch so einige Gestaltungsmöglichkeiten.
Dennis ging also auf all diese Gesichtspunkte  ein:   Wie bekomme ich als Untermann das Bein möglichst einfach u. schnell geklammert und was mache ich dann damit, ebenso wie auf die Fragestellung: Wie gehe ich als Obermann mit der Situation um, also wie bekomme ich mein geklammertes Bein frei und wie mache ich dann weiter, um den Gegner zur Aufgabe zu bekommen. Dabei wurden wir Schritt für Schritt durch die Bewegungsfolgen geführt, so daß von jung bis alt jeder gut mitkam. Bevor es bei seinen Einheiten zum technischen Teil kam, gab es immer drei Bodenrandori zur Erwärmung, wo sich die Teilnehmer etwas näherkommen und ihre Fertigkeiten aneinander ausprobieren konnten 🙂

Schön war wieder, daß Dennis es wie immer verstand, seine Trainings-Inhalte mit für Judoka verständlichen Begriffen aufzubereiten und die innere Logik der Bewegungsabfolgen ähnlich wie Frank im Stand die Würfe zu vermitteln wußte… Seitens Frank gab es hier diesmal auch sehr wenig zusätzliche Erläuterungen, so daß ich davon ausgehe, daß auch er mit Dennis’ Trainingsgestaltung durchaus zufrieden war.
Neben den offiziellen Boden-Einheiten, gab Dennis für Interessierte ausführlich Gelegenheit, Erfahrungen auszutauschen, sei es im Gespräch, sei es im Randori. Was sehr intensiv genutzt wurde –  auch hierbei muß man Dennis für seine Geduld und psychische & physische Ausdauer Hochachtung zollen.

Persönlich  freut es mich sehr, daß unsere VfLer alle durch die Bank weg fleißig geübt haben und
sehr viel vom Gezeigten (egal ob Stand oder Boden) sehr brauchbar umsetzen konnten.
(Ok – hinsichtlich der trainingstechnischen Erläuterungen bin ich jetzt erstmal durch 😉 )

Was gibt es noch zu bemerken:
Das samstägliche Mittagsbuffet wurde wieder von Uschi und Helferinnen in bewährter Art und Weise gestaltet, auch dann am Sonntag für den Nachhauseweg gab es eine kleine Stärkung.
Der Samstag-Abend wurde durch uns Teilnehmer  verpflegungstechnisch mit erneutem Grillen und alternativer Besorgung von Pizzen gestaltet, so daß wir dann gesättigt den Rest des Abends in gemütlicher und geselliger Runde verbringen konnten.
Die Heimatreise am Sonntag verlief dann auch verkehrstechnisch unproblematisch, alle sind wohlbehalten wieder zu Hause angekommen.

Also auf jeden Fall ein großes Dankeschön an Uschi und Frank Thiele für ihre Gastfreundschaft, an Fabian fürs organisatorische “Mädchen für alles sein” und natürlich auch an Helfer im Hintergrund, Dank geht ebenso an  “Urberach-Dennis” und “Judomax” aus Heidelberg, welche neben Fabian als “Vorzeiger” herhalten durften, an unseren BJJ-Dennis sowieso und allgemein an die Teilnehmerschaft für die konstruktive und harmonische Lernatmosphäre.

Und natürlich an unsere Fahrer fürs heil  Hin- und Zurückbringen 🙂

Bertram

PS: Ergänzungen anderer Teilnehmer zum Bericht füge ich auf Wunsch gern noch hinzu.

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