Unser Trainingskamerad und Vereinsmitglied Jonas Templiner studiert ja inzwischen in Schweden und
ist dort auch dem Judo treu geblieben.
Er hat uns dankenswerterweise einen kleinen Bericht über eine Trainings-Wochenende dort verfasst:

Wie der Titel schon verrät, hatte ich die Gelegenheit, mit ein paar Leuten vom Umeå Judo Club zu einem Ne-Waza-Trainingswochenende nach Boden [sprich schwedisch: Buden – also kein Bodentraining in Boden ;-)] zu fahren.  Leiter des Trainings sollte Shuji Ohshima, Träger des 7. Dan und Mitglied der internationalen Budouniversität (IBU), sein. Das Wochenende war ein Teil der diesjährigen Europatournee der IBU und hatte unter anderem das Thema Budo für Menschen mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung. In der Praxis bedeutete das, dass am Training auch Menschen mit Behinderung teilnahmen, es aber auch eigene Trainingszeiten für solche gab, die eine persönliche Assistenz brauchten. Dass hier Judo nicht im „normalen“ Sinne ausgeübt wird, versteht sich von selbst. Aber soweit zu sehen war, machte es den Teilnehmenden sehr viel Spaß und ich kann mir gut vorstellen, dass es auch eine hervorragende Ergänzung, beispielsweise zur Krankengymnastik, darstellt.
Am Freitag um 15.30 Uhr sollte es eigentlich losgehen, allerdings gab es wohl Verzögerungen beim Ausleihen eines Mietwagens und eh dann die letzten eingesammelt waren, war es 17 Uhr. Starker Schneefall und langes Schlangestehen bei einem FastFood-Anbieter sorgten dann dafür, dass wir erst um 21.30 eintrafen (Boden liegt so ca. 300 km nördlich von Umeå entfernt). Die erste Trainingseinheit war da leider gerade vorbei. So rollten wir nur noch unsere Schlafsäcke im Dojo aus, wo sich schon Teilnehmer aus anderen Teilen der Region einquartiert hatten und ich schlief dann auch sofort ein. Nachdem ich mitten in der Nacht aufgewacht war, war ich wieder einmal froh, geeignete Ohrverschlussstöpsel als Abhilfe gegen Schnarchkonzerte eingepackt zu haben. Am nächsten morgen sah ich, dass die meisten anderen wohl nicht solche Weitsicht gehabt hatten. Einige schleppten sich ziemlich übernächtigt zur ersten Trainingseinheit um 9 auf die Matte. Los ging es mit einer kleinen Aufwärmung, die von einem Teilnehmer geleitet wurde. Das reichte Herrn Ohshima wohl noch nicht, weswegen er noch eine Art von japanischer Erwärmungsabfolge durchführte, bevor es dann mit einer Lektion in einer Art Newaza-Drill (bestehend aus 10 z.T. aufeinanderaufbauenden Techniken) weiterging. Anschließend demonstrierte er zwei Formen von Sumi-Gaeshi. Zum einen die Grundform, zum anderen eine Kreisbewegung, bei der Tori eine Art von Stolpern simuliert und so Ukes Schrittabfolge „taktmäßig“ durcheinanderbringt. Da die Matte sehr gut gefüllt war, war es leider nicht möglich, eben jene zweite Form zu üben und auch die 3 Bodenrandoris am Ende waren auf Grund der Teilnehmerzahl etwas schwierig. Nach 2 Stunden war das Training auch schon vorbei und es folgte für die Erwachsenengruppe eine längere Pause. Die Zeit zwischen 11 und 16 Uhr war dann nämlich den Kindern und Behinderten mit persönlicher Assistenz vorbehalten (und einer Mittagspause natürlich). Ich nutzte die Zeit, um einen kleinen Erkundungsspaziergang durch Boden zu machen und ein bisschen Sonnenlicht zu tanken. Nach einer Stunde war ich dann auch einmal quer durch die „Stadt“ und zurück gelaufen und konnte das Fazit ziehen, dass Boden sicherlich nicht unbedingt ein Reiseziel in sich darstellt ;-). Das Abendtraining war im Wesentlichen eine Wiederholung des Vormittags, was durchaus nicht schlecht war. Denn da der Trainer nur Japanisch und einige Wörter Englisch sprach, war es schwierig, alle Details schon beim ersten Mal zu erkennen und so kamen einige dankbarerweise jetzt zum Vorschein. Außerdem wurde der Zusammenhang von Sumi-Gaeshi und einer Form davon als Angriff gegen die Bank deutlicher. Wir ließen dann den Tag bei gemütlichem Beisammensein mit allen Angereisten und Einheimischen
in einem Restaurant ausklingen und die Teilnehmer aus Umeå beschlossen übereinstimmend, am nächsten Tag nur die Vormittagseinheit mitzumachen, um nicht erst um 18.30 von Boden los zu fahren. Dementsprechend kann ich an dieser Stelle nur noch von dem Training am Vormittag berichten:
Die Erwärmung wurde diesmal von einem BJJ-ler geleitet und war dem entsprechend von vielem Rumrollen geprägt. Eine amüsante, wenn auch schweißtreibende/s, Übung/Spiel bestand darin, kreuz und quer auf der Matte bäuchlings herumzurobben und zu versuchen, über andere rüberzurobben. Glückte dies, war das Anlass für den „Gerobbten“, eine bestimmte Anzahl Liegestütz, Kniebeuge o.ä. zu machen, bevor er wieder teilnehmen durfte. Die obligatorischen Vorwärtsfallübungen nahm Shuji Ohshima noch zum Anlass, auf einige wichtige Details (unter anderem zur Beinhaltung und Abschlagen) hinzuweisen, was mich in meiner Meinung bestärkte, dass im „Schwedischen Judo“ das richtige Fallen z.T. zu kurz kommt. Der Rest des Trainings war im Wesentlichen eine Wiederholung des Newaza-Drills (der jetzt anfing, richtig Spaß zu machen) und einigen Runden Bodenrandori. Da die Anzahl der aktiven Teilnehmer schon ein bisschen gesunken war, war diesmal mehr Platz auf der Matte vorhanden, was den Spaßfaktor deutlich erhöhte … Zum Schluss gab es noch die obligatorischen Gruppenfotos und nachdem wir noch das erste Kindertraining abgewartet hatten, ging es zurück gen Umeå. Das Wetter war diesmal um einiges besser und so waren wir dann auch schon um kurz vor 18 zurück. Insgesamt also ein eher schlechtes Verhältnis von echter Trainings- zu Fahrzeit, aber dennoch ein lohnenswertes Wochenende, auch weil es einmal die Möglichkeit bot, mit anderen außerhalb des gewohnten Umfelds zu trainieren.

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